Verjährung und Pflichtteil - Pflichtteilsanspruch verjährt erst vier Jahre nach dem Tod

Verjährung und Pflichtteil: Sie haben vier Jahre Zeit!

OGH 25.11.2021, 2 Ob 117/21a – zu Pflichtteil und Verjährung

Wann verjährt der Pflichtteil?

Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche beträgt nur drei Jahre (§ 1487a ABGB).

Diese Verjährungsfrist beginnt aber frühestens ein Jahr nach dem Tod des Erblassers zu laufen. Das hat der OGH nun klargestellt.

Der Kläger ist ein Nachkomme der am 9. Dezember 2017 verstorbenen Erblasserin. Er machte am 12. Jänner 2021 – also mehr als 3 Jahre, aber weniger als 4 Jahre nach dem Tod – seinen Pflichtteil klagsweise geltend. Die Beklagte wendete Verjährung ein.

Der Kläger verwies unter anderem darauf, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Geldpflichtteil erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen fordern kann (§ 765 Abs 2 ABGB). Deshalb könne die Verjährung erst mit Ablauf diesen einen Jahres zu laufen beginnen.

Der OGH ist dem gefolgt, er hat den Anspruch als nicht verjährt angesehen.

Pflichtteil verjährt nach 4 Jahren – War das eine Überraschung?

Bemerkenswert ist das vor dem Hintergrund der OGH-Entscheidung 2 Ob 49/19y: Demnach müsse der Pflichtteilsberechtigte für seine Klage gar nicht ein ganzes Jahr warten. Sein Pflichtteilsanspruch könne vor Ablauf eines Jahres ab dem Tod nur nicht vollstreckt werden. § 765 Abs 2 ABGB führe also nicht zu einer „Klagssperre“, sondern nur zu einer „Vollstreckungssperre“.

An dieser Rechtsprechung („Vollstreckungssperre“ statt „Klagssperre“) möchte der OGH in der vorliegenden Entscheidung auch nicht rütteln. Ganz im Gegenteil: Er hat das ausdrücklich bestätigt.

Weshalb kann dann aber die Verjährung des Pflichtteils nicht schon vor Ablauf dieses einen Jahres zu laufen beginnen?

Nun könnte man meinen: Wenn der Pflichtteilsberechtigte schon vor Ablauf dieses Jahres klagen kann, dann muss wohl auch die Verjährung schon vor Ablauf dieses Jahres beginnen können. Das sieht der OGH aber anders.

Der OGH meint, dass eine Klage vor Ablauf der Jahresfrist im Regelfall für den Pflichtteilsberechtigten unzumutbar wäre. Denn wenn der Erbe grundsätzlichen Leistungswillen signalisiert, aber noch die Höhe bestreitet oder (zumindest) den von § 765 Abs 2 ABGB gewährten Aufschub in Anspruch nehmen will, wird der Pflichtteilsberechtigte häufig zuwarten. Das Pflichtteilsrecht würde geschwächt, wäre dann ein Teil der Verjährungsfrist schon verstrichen. Auch eine Stundung, die (wie hier) nur als Vollstreckungssperre zu verstehen ist, hemmt daher die Verjährung.

Dafür würden laut OGH überdies auch Praktikabilitätserwägungen sprechen. Im Regelfall werden die für das Bestehen des Pflichtteilsanspruchs maßgebenden Umstände innerhalb eines Jahres nach dem Tod des Erblassers geklärt werden können. Das sind zum Beispiel der Eintritt der testamentarischen Erbfolge und die Höhe des Reinnachlasses. Der Beginn der Frist jedenfalls erst ein Jahr nach dem Tod vermeidet in solchen Fällen unnötigen Streit darüber, wann genau diese Kenntnis eingetreten ist oder wann sie bei angemessenen Erkundigungen eingetreten wäre.

Pflichtteil und Verjährung – Wie lautet also das Ergebnis?

Für die Geltendmachung des Pflichtteils stehen jedenfalls vier Jahre zur Verfügung. Denn die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt frühestens ein Jahr nach dem Tod der Erblasserin zu laufen.

Freilich kann die Verjährungsfrist im Einzelfall auch erst später zu laufen beginnen. Sie beginnt nämlich stets erst dann, wenn die Pflichtteilsberechtigte alle Tatsachen kennt, die für ein „schlüssiges Vorbringen“ vor Gericht erforderlich sind.

Mehr zum Pflichtteil finden Sie hier.

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