Sparbuch in der Verlassenschaft - Stets ein Grund zu streiten?

Sparbuch im Verlassenschaftsverfahren – Stets ein Grund zu streiten?

Über die Absicherung Ihrer Lieblingsenkelin, der Sie ein Sparbuch geschenkt haben, und anlässlich OGH 25.3.2021, 2 Ob 101/20x

Das Kleinbetragssparbuch, was ist das?

Das typische österreichische Sparbuch ist ein sogenanntes „Kleinbetragssparbuch“. Das Guthaben muss geringer bleiben als € 15.000 und es lautet nicht auf den Namen des Inhabers (siehe § 31 Abs 3 Bankwesengesetz). Wer der Bank das Losungswort nennt und das Sparbuch vorlegt, an den darf die Bank auszahlen, ohne weitere Fragen stellen zu müssen (§ 32 Abs 4 Z 1 Bankwesengesetz).

Aus diesem Grund können Sie ein Kleinbetragssparbuch recht einfach verschenken. Übergeben Sie das Sparbuch der Lieblingsenkelin und nennen Sie ihr das Losungswort. Damit ist die Schenkung wirksam und die Enkelin neue Inhaberin des Sparbuchs und Berechtigte aus dem Guthaben. Will sie von der Bank ihr Geld haben, wird die Bank gegen Nennung des Losungsworts und Vorlage des Sparbuchs auszahlen.

Über € 15.000: Namenssparbuch

Wenn ein Sparbuch kein Kleinbetragssparbuch ist, dann ist es ein Namenssparbuch. Sparbücher ab 15.000 Euro müssen Namenssparbücher sein. Sie lauten auf den Namen des Inhabers.

Die Schenkung (oder sonstige Übetragung) gestaltet sich schwieriger als beim Kleinbetragssparbuch. Eine bloße Übergabe des Sparbuches reicht nicht (Losungswort gibt es in der Regel keines). Vielmehr muss die Forderung aus dem Sparbuch gegen die Bank abgetreten werden. Die Schenkung eines Namenssparbuches erfordert eine sogenannte Forderungsabtretung (Zession). Die Bank wird dem Überbringer des Sparbuches nichts auszahlen, wenn das Namenssparbuch nicht auf seinen Namen lautet (siehe § 32 Abs 4 Z 2 Bankwesengesetz).

Kleinbetragssparbuch oder Namenssparbuch?

Namenssparbücher können also nicht so einfach verschenkt werden (möglich ist es freilich dennoch – das ist aber nicht das Thema dieses Beitrags). Das mag ein Nachteil sein. Der Vorteil ist aber, dass ihre Zuordnung zum „richtigen“ Inhaber, also zum Eigentümer und dem wahren Berechtigten aus dem Guthaben der Bank gegenüber, leichter feststellbar ist.

Hingegen liegt darin die Problematik des verschenkten Kleinbetragssparbuches. Die Bank erfährt von der Schenkung nichts, bei ihr lauten die Kleinbetragssparbücher in aller Regel auch nach einer Schenkung immer noch auf den ursprünglichen Inhaber. Denn auch wenn ein Kleinbetragssparbuch kein Namenssparbuch ist, muss sich bei der Bank identifizieren, wer ein Kleinbetragssparbuch eröffnen will.

Das hat Konsequenzen im Verlassenschaftsverfahren nach diesem ursprünglichen Inhaber. Denn eine Bank muss dem zuständigen Gerichtskommissär (Notar) alle auf den Verstorbenen identifizierten Sparbücher bekannt geben. Der Grund dafür: Die Identifizierung auf den Verstorbenen ist ein starkes Indiz dafür, dass der Verstorbene auch der Berechtigte aus dem Guthaben ist. Das judiziert der Oberste Gerichtshof in mittlerweile ständiger Rechtsprechung. Diese Sparbücher muss der Notar deshalb in das Inventar aufnehmen, unabhängig davon, in wessen Besitz sich die Sparbücher befinden und wem sie tatsächlich gehören. Auch in der oben verlinkten Entscheidung hat der OGH das bestätigt. (Wichtig: Die Aufnahme eines Sparbuchs in das Inventar oder die Vermögensaufstellung im Verlassenschaftsverfahren bedeutet nicht zwingend, dass das Sparbuch dem Verstorbenen gehört hat. Das entscheidet der Gerichtskommissär nicht. Im Verlassenschaftsverfahren wird diese Frage nicht geklärt.)

Sie müssen also damit rechnen, dass die von Ihnen eröffneten Kleinbetragssparbücher in der Verlassenschaft wieder „auftauchen“, auch wenn Sie sie schon zu Lebzeiten wirksam verschenkt haben. Denn auch bei der Eröffnung eines Kleinbetragssparbuchs hat die Bank Ihre Identität festgestellt.

Das Sparbuch führt zu Vorwürfen

Das kann sehr unangenehme Konsequenzen für Ihre Lieblingsenkelin haben.

Denn womöglich behaupten Ihre Erben oder Ihre undankbaren pflichtteilsberechtigten Kinder, das Sparbuch laute ja immer noch auf Ihren Namen und falle deshalb in die Verlassenschaft, das Gegenteil solle Ihre Enkelin doch beweisen. Womöglich verdächtigen oder beschuldigen sie Ihre Enkelin sogar, sich kurz vor oder kurz nach Ihrem Tod Zugang zu Ihrer Wohnung verschafft und die Sparbücher mitgenommen zu haben. Als Beweis dafür, dass Sie ihr das Sparbuch noch zu Ihren Lebzeiten durch Übergabe und Offenlegung des Losungswortes wirksam und freiwillig geschenkt haben, bleibt Ihrer Enkelin dann oft nur die eigene Aussage vor Gericht (insbesondere dann, wenn das Losungswort kein besonderes Geheimnis war), es sei denn, Sie haben ihr schriftliche Beweismittel hinterlassen oder mitgegeben. Die freie Beweiswürdigung der Richterin entscheidet dann darüber, ob sie das Sparbuch behalten darf oder nicht.

In besonders gelagerten Fällen geht es zwischen dem neuen Sparbuchinhaber, in unserem Beispiel Ihrer Enkelin, auf der einen Seite und den Erben oder Pflichtteilsberechtigten auf der anderen Seite sogar um viel mehr als nur mehr um die Frage, wem das Guthaben aus dem Sparbuch zusteht: Nehmen wir an, Sie haben in Ihrem Testament Ihre Enkelin als Alleinerbin eingesetzt und Ihre drei Kinder auf den Pflichtteil verwiesen. Wenn dann Ihre pflichtteilsberechtigten Kinder Ihre Enkelin beschuldigen, sich das Sparbuch ohne Ihre Zustimmung zugeignet zu haben, dann beschuldigen sie Ihre Enkelin einer Straftat. Diese Straftat könnte in bestimmten Fällen sogar zur Erbunwürdigkeit führen. Ihre Enkelin, die alles bekommen hätte sollen, bekommt dann gar nichts. Deshalb hat Ihre Enkelin dann, wenn sie nach Ihnen erbt, ein noch größeres Interesse daran, die Schenkung des Sparbuchs an sie zweifelsfrei nachweisen zu können. Das wird ihr aber womöglich erst nach Ihrem Tod bewusst.

Und was ist mit dem Bankgeheimnis?

Hand in Hand mit dem Thema „Sparbücher in der Verlassenschaft“ geht das Thema „Bankgeheimnis“.

Das Bankgeheimnis verbietet Kreditinstituten, Geheimnisse, die ihnen durch die Bankverbindung mit dem Kunden zugänglich gemacht worden sind, zu verwerten oder preiszugeben.

Nun wird dieses Bankgeheimnis aber von § 38 Abs 2 Z 3 Bankwesengesetz im Verhältnis zum Gerichtskommissär (Notar) durchbrochen. Es gilt also nicht.

In der oben verlinkten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof erneut bestätigt, dass diese Durchbrechung nicht nur in Bezug auf den Verstorbenen greift. Sie ist vielmehr umfassend: Auch im Verhältnis zu anderen Personen ist die Bank gegenüber dem Gerichtskommissär (Notar) nicht an das Bankgeheimnis gebunden. Stattdessen ist sie dem Gerichtskommissär zur Auskunft verpflichtet, soweit das erfordelich ist, um das Vermögen des Verstorbenen zu eruieren.

Das ist nicht selbstverständlich. Denn früher war der Oberste Gerichtshof noch der Auffassung gewesen, der Gerichtskommissär „vertrete“ den verstorbenen Kunden. Er bekomme daher genau jene Auskünfte, die auch der Kunde selbst erhalten hätte, jedoch keinesfalls mehr Informationen. Davon hat sich der Oberste Gerichtshof aber schon seit Jahren verabschiedet. In der oben verlinkten Entscheidung hat er seine diesbezügliche ständige Rechtsprechung bestätigt. Das Bankgeheimnis ist gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht ganz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Gerichtskommissär wird nicht mehr als bloßer „Vertreter“ des Verstorbenen betrachtet.

Sparbuch und Verlassenschaft – Welche Schlüsse lassen sich ziehen?

Sie haben ein Sparbuch geschenkt bekommen? Schön. Lassen Sie sich vom ursprünglichen Inhaber handschriftlich bestätigen, dass er Ihnen das Sparbuch geschenkt hat. Noch besser: Gehen Sie gemeinsam zur Bank und sorgen Sie dafür, dass das Sparbuch von nun an auf Sie identifiziert ist. Dann wird es in der Verlassenschaft nach dem Geschenkgeber gar nicht mehr auftauchen.

Sie möchten ein Sparbuch verschenken? Auch schön. Bedenken Sie, dass Ihre Erben und alle Pflichtteilsberechtigten im Verlassenschaftsverfahren davon unter Umständen erfahren werden. Überlegen Sie, ob Sie möchten, dass das Sparbuch nicht mehr auf Sie identifiziert ist. Helfen Sie dem Geschenknehmer, die Schenkung später auch beweisen zu können. Schreiben Sie die Nachweise mit der Hand, damit ihre Echtheit auch später noch überprüft werden kann. Schützen Sie den Geschenknehmer vor unberechtigten Vorwürfen enttäuschter Verwandter, die sich mehr erhofft hätten als ihren Pflichtteil.

Mehr zum Thema Verlassenschaftsverfahren finden Sie hier.


Bild von Jimmie Hjärtström auf Pixabay.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner