Zweite Pflichtteilsklage möglich?

Zu wenig Pflichtteil eingeklagt. Kann ich erneut klagen?

OGH 27.1.2022, 2 Ob 233/21k – Ist eine zweite Pflichtteilsklage möglich?

Was, wenn ich einen Pflichtteil fordere und auch gerichtlich geltend mache, sich später aber herausstellt, dass ich zu wenig verlangt habe? Kann ich eine zweite Pflichtteilsklage erheben?

Sachverhalt – Was ist passiert?

In einem ersten Prozess hatten die beiden Kläger ausdrücklich nur einen Teil ihres Pflichtteils eingeklagt. „Aus prozessualer Vorsicht“. Es erging ein Versäumungsurteil, das wurde rechtskräftig.

In einem zweiten Prozess machten die Kläger dann den restlichen Pflichtteil geltend (zweite Pflichtteilsklage). Die Beklagte wendete dort aber ein, dass der Wert der Liegenschaft im Schenkungszeitpunkt niedriger gewesen sei als von den Klägern behauptet. Unter anderem sei nämlich ein Wohnungsgebrauchsrecht in Abzug zu bringen. Die Kläger schränkten daraufhin ihr Klagebegehren entsprechend ein. Schließlich erging ein dem eingeschränkten Klagebegehren großteils stattgebendes Urteil des Berufungsgerichtes: Die Kläger, die sich einen Abzug von 75.000 EUR für das Wohnungsgebrauchsrecht gefallen ließen, hätten rein rechnerisch einen den eingeklagten Betrag deutlich übersteigenden Pflichtteilsanspruch. Schließlich sei ein Wohnungsgebrauchsrecht ja gar nicht wertmindernd zu berücksichtigen (erwähnt wurde die Entscheidung des OGH zu 2 Ob 64/19d).

Dann kam es zum dritten Prozess, zur dritten Pflichtteilsklage. Die Kläger folgten dem Hinweis des Berufungsgerichts, wonach das Wohnungsgebrauchsrecht gar nicht abgezogen hätte werden müssen. Sie machten den sich daraus ergebenden Mehrbetrag geltend.

Und was entgegnete die Beklagte?

Die Beklagte erhob die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache. Wenn die Kläger im zweiten Vorprozess aufgrund eines unrichtigen Rechtsstandpunkts zu wenig an Pflichtteilsansprüchen geltend gemacht hätten, rechtfertige dies keine neue Klage.

Diese Einrede war nicht berechtigt, wie der OGH in dieser Entscheidung richtig aufgezeigt hat. Denn wenn die Kläger den nun im 3. Prozess geltend gemachten Betrag noch gar nie gerichtlich begehrt hatten, kann es über diesen Teilbetrag auch noch keine entschiedene Sache geben.

Das lässt sich verallgemeinern!

Es ist möglich, zunächst nur einen Teil einer Forderung einzuklagen und später mehr. Das geht insbesondere auch dann, wenn man die eigene Forderung zunächst irrtümlich als zu gering eingeschätzt hat und deshalb in der ersten Klage gar nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nur einen Teil geltend zu machen. Die erste Klage muss auch keine als solche bezeichnete „Teilklage“ sein. Auch eine Klagseinschränkung kann so wieder korrigiert werden.

Gerade beim Pflichtteil kann das von großer Bedeutung sein. Denn manchmal ist es schwierig, den genauen Wert der Verlassenschaft vor der Erhebung der Klage zu ermitteln. Er stellt sich dann aber oft im Zuge des Gerichtsverfahrens heraus. Dann können Sie den Rest einklagen. Und das sogar dann, wenn Sie im Vorprozess aufgrund eines Einwandes der Beklagtenseite das Klagebegehren eingeschränkt (also die Forderung reduziert) haben, später dann aber entdecken, dass dieser Einwand der Gegenseite gar nicht berechtigt war.

Zweite Pflichteilsklage: Vorsicht vor der Verjährung!

Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche beträgt nur drei Jahre (§ 1487a ABGB). Sie beginnt freilich frühestens ein Jahr nach dem Tod der Verstorbenen zu laufen (dazu mehr hier).

Mehr zum Pflichtteil finden Sie hier.


Bild von Arek Socha auf Pixabay.

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